© PHILIPP HORAK
Liebe im Vorübergehen

Aus: WIEN BEI TAG UND NACHT. Von Walfrid Reismann. Ueberreuter 1969

..wie überall auf der Welt, wirft auch in Wien die Nacht ihre Schatten, die dem fremden Gast nicht verschwiegen werden sollen. Wer in Wien amouröse Abenteuer sucht, muß deswegen nicht gleich um sein Leben bangen, sondern sei nur zu Vorsicht und Besonnenheit ermahnt, sobald ihm starke Herren ins Gehege pfuschen. Einem bescheidenen Freier wurde indessen in Wien noch nie ein Haar gekrümmt

Wer Gelegenheit hatte, sich ein bißchen einschlägig in der Welt umzuschauen, wird bestätigen, daß die erste Garnitur der Wiener Straßenmädchen beileibe keinen Vergleich mit ausländischen Zunftgenossinnen zu scheuen braucht. Einige der Mädchen sind von faszinierender Schönheit solange sie nicht den Mund aufmachen.. Ja! Die erste Garnitur im ältesten Gewerbe stellt ihren Mann! Liebhaberpreise für Spitzenkräfte erreichen auch in Wien internationales Format: Tausend Schilling kann sehr viel und sehr wenig sein, jedoch sollte der zu allem entschlossene Kavalier bedenken, dass die meisten Damen mit sich reden lassen, sofern nicht einige Sonderbegünstigungen das vorgesehene Budget sprengen. Besonders wenn aus einer schwachen Stunde eine ganze Nacht werden soll...

Was die käufliche Liebe anbelangt, ist der Naschmarkt nach und nach gesättigt. Längst schon kündigt sich die Konjunkturflaute an, denn wo früher zehn Damen standen und kokett lächelten, sieht man oft nur noch ein Dirnderl traurig vor sich hin sinnieren [...] Es sei darauf hingewiesen, daß sich nachts am Naschmarkt vielerlei Gesindel herumtreibt. Gestalten, denen man nicht unbedingt die Hand geben sollte, ohne sich unmittelbar nachher zu waschen. Rechtschaffene Marktarbeiter spucken aus vor dem Gesindel...

Noch vor wenigen Jahren war die Gegend des Wiener Gürtels der langgestreckte Inbegriff nächtlicher Vergnügungen eindeutiger Prägung. Die Göttinnen der Liebe erlebten auch hier ihre Dämmerung (...) Es sind zum Teil schöne Mädchen, die sich hier verkaufen. Andererseits wanken auch Grauen erregende Ruinen unentwegt kokett über das Pflaster, das längst ihr Schicksal geworden ist. Mit vielen hat sich die Natur einen derben Spaß erlaubt. Im ominösen Café Toska auf der Praterstraße hoffen unsagbar dick gewordene Frauen auf eine Wunder oder zumindest auf einen Mokka gespritzt*

Wenn hier einige Dinge etwas drastisch beim Namen genannt wurden, so geschah dies im Bestreben, sachlich über den Dingen zu stehen. Wo gehobelt wird, fliegen Späne. Wir bitten um Verständnis.

- L'AMOUR EN PASSANT